Der staatliche Handel mit Emissionszertifikaten
Der Emissionsrechtehandel ist eine Maßnahme der Politik mit dem Ziel, die ausgestoßenen Schadstoffe so zu verringern, dass möglichst wenig gesamtwirtschaftliche Kosten entstehen. Die Europäischen Union hat den EU-Emissionshandel für Kohlendioxidemission im Jahr 2005 gesetzlich eingeführt.
Die grundlegende Idee für den Handel mit Emissionsrechten stellte der kanadische Ökonom Dales 1968 in seinem Buch "Pollution, Property and Prices" dar. Dales schlug damals vor, einen Markt für Verschmutzungsrechte einzurichten, um Gewässerverschmutzung durch Industrieabwässer zu begrenzen. Revolutionär daran war, dass der Politik eine Möglichkeit gegeben werden sollte, die konkrete Obergrenze der Gesamtemission als Umweltziel direkt vorzugeben. Dazu muss zuerst eine Obergrenze für bestimmte Emissionen (wie etwa Kohlendioxid, Schwefeldioxid oder Stickoxid) innerhalb eines definierten Gebiets (also regional, national oder international) und einer konkreten Zeitspanne festgelegt werden. Dann werden, analog der festgelegten Obergrenze, so genannte Umweltzertifikate ausgegeben, die den Ausstoß eines bestimmten Umfangs an Schadstoffen autorisieren. Wird für eine bestimmte Region eine Obergrenze von 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid innerhalb eines Jahres festgelegt, so werden Zertifikate, die insgesamt zur Emission von 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid berechtigen, ausgegeben. Diese Obergrenze kann in den folgenden Jahren schrittweise gesenkt werden. Da diese Zertifikate frei handelbar sind, wird der Preis für diese Zertifikate durch die Nachfrage bestimmt. Emissionen, die ohne Emissionsrecht erfolgen, werden bestraft.
Die Ausgabe der Zertifikate kann in zwei Formen erfolgen: Durch Zuteilung durch die Politik oder durch die Versteigerung. Bei der Zuteilung wird politisch festgelegt, wer wie viele Zertifikate erhält. Diese Ausgabeform ist nur sinnvoll, wenn es absolut objektive Kriterien für eine Zuteilung gibt, da sonst die Gefahr besteht, dass einflussreiche Lobbyverbände und Interessengruppen begünstigt werden. So können zum Beispiel im Rahmen eines internationalen Emissionsrechtehandels, bei dem es darum geht, Schadstoffemissionen mit globalen Auswirkungen (zum Beispiel Treibhausgase) auf die teilnehmenden Staaten zu verteilen, die Zertifikate entsprechend der Einwohnerzahl zugeteilt werden. Staaten mit einem hohen Verbrauch an fossiler Energie müssten dann Zertifikate bei Staaten mit geringem Energieverbrauch nachkaufen. Wirtschaftlich schwach entwickelte Staaten, die in der Regel einen verhältnismäßig geringen Energieverbrauch haben, könnten die Einnahmen durch den Emissionsrechtehandel in moderne emissionsarme Technologien investieren. Diese Ausgabeform ist aufkommensneutral.
Existieren diese objektiven Kriterien für eine Zuteilung durch die Politik nicht, so ist es sinnvoll, die Zertifikate zu versteigern. So kann etwa das Recht, fossile Energieträger innerhalb eines Staates oder eines Staatenbundes auf den Markt zu bringen, an den Kauf von Zertifikaten gekoppelt werden, der dem Kohlenstoffgehalt des Energieträgers entspricht. Von der Abwicklung ist dies ähnlich wie die Erhebung einer Steuer. Anders als bei einer Steuer wird der Preis allerdings nicht von der Politik festgelegt, sondern bildet sich durch den Marktmechanismus. Sowohl für die "Versteigerung" als auch für den Handel bietet sich zur Etablierung der Marktmechanismus an, das über eine Börse zu organisieren. Damit einher geht, dass damit auch spekulative Geschäfte möglich werden.
Momentan gibt es zwei Handelssysteme für Treibhausgase: Den im Kyoto-Protokoll vereinbarten bilateralen Handel zwischen Annex-I Staaten und innerhalb Europas den EU-Emissionshandel für Unternehmen. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass viele Schadstoffe nicht nur lokal wirken, sondern großräumig, so dass die Minderung von Emissionen nur über große geographische Räume betrachtet und bewertet werden kann. Die vom Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen, also Gasen, die zu einer weiteren Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen, sollen weltweit reduziert werden. Damit soll die drohende Klimaveränderung abgewendet bzw. deren Fortschreiten abgebremst werden.
Der bekannteste Vertreter der Treibhausgase mit der mengenmäßig größten Emission ist Kohlendioxid. Aber auch weitere Gase sind trotz geringer Emissionsmengen für den Treibhauseffekt von Bedeutung. Die Bemessung dieses Anteils geschieht mit Hilfe des so genannten GWP-Wertes (GWP bedeutet "Global Warming Potential"). Dieser Wert gibt an, wie groß der jeweilige Beitrag eines Gases zum Treibhauseffekt im Verhältnis zu dem von Kohlendioxid ist.
Deswegen ist im Kyoto-Protokoll, das die Bestimmungen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen konkretisiert, vereinbart worden, wie viele dieser klimawirksamen Gase einzelne Länder bzw. Ländergruppen emittieren dürfen und zu welchen Minderungsschritten innerhalb eines bestimmten Zeitplanes sie sich verpflichten. Mit dem herkömmlichen Instrumentarium (in Deutschland das Bundes-Immissionsschutzgesetz) wären solche mengenmäßigen Ziele kaum oder nur unter großen Schwierigkeiten zu erreichen. Theoretisch könnten die Verwaltungsbehörden jedem Unternehmen auf Antrag eine Erlaubnis für die Emission bestimmter Mengen klimawirksamer Gase erteilen. Neben rechtlichen Problemen, die eine solche Vorgehensweise hätte, spricht vor allem die Überlegung dagegen, dass die Minderung von Emissionen klimawirksamer Gase je nach Branche bzw. je nach industrieller Technik sehr unterschiedliche Kosten verursacht. Wer zu welchen Kosten wie viel Emissionen vermeiden kann, wissen jedoch die Unternehmen selbst sehr viel besser, weil sie ihre eigene Technik, ihre eigenen Prozesse und deren Weiterentwicklungsmöglichkeiten kennen.